Abgeschlossene Projekte
Hier finden Sie eine Übersicht über abgeschlossene Forschungsprojekte des Musikwissenschaftlichen Seminars Detmold/Paderborn.
Detmolder Hoftheater 1825–1875 (2014–2021)
gefördert von der DFG (Wiss. Literaturversorgungs- und Informationssysteme) von September 2014 bis Januar 2021
Die in der Lippischen Landesbibliothek Detmold zur Geschichte des Detmolder Hoftheaters verwahrten musikalischen und archivalischen Quellen sind in ungewöhnlicher Breite und Fülle erhalten. Ergänzt werden sie durch Materialien aus dem Landesarchiv NRW, Abteilung Ostwestfalen-Lippe (Personalakten etc.) und dem Staatsarchiv Osnabrück (Theaterzettel). Diese Materialien, die bislang entweder nur standardmäßig, z. B. im Internationalen Quellenlexikon der Musik (RISM) (Musikalien), erfasst oder sogar lediglich durch maschinenschriftliche Regesten (Theaterakten) sowie z. T. handschriftliche Zettelkataloge ausgewertet sind, sollen im Rahmen des Projekts kontextuell erschlossen werden.
Es geht darum die überlieferten musikalischen Quellen (Partituren, Stimmen und Partien, Libretti, Rollenhefte) einerseits detaillierter zu beschreiben (inkl. enthaltener Einlagen bzw. Striche sowie handschriftlicher Einträge zu Personen und Aufführungen) und andererseits die zugehörigen archivalischen Quellen im Volltext oder als Regesten digital zu erfassen. Im Rahmen der kontextuellen Tiefenerschließung sollen den auszuwertenden Musikalien dann weitere Informationen, etwa aus den Einnahme-Journalen oder den Regiebüchern des Theaters, zugeordnet werden. In der Folge könnte dann z. B. ein mit Normdaten angereichertes Rollenverzeichnis aller mitwirkenden Schauspieler oder Sänger erstellt werden.
Diese sogenannte kontextuelle Tiefenerschließung wird auf der Basis eines Modells vollzogen, das erst innerhalb des Pilotprojekts entwickelt und an den Daten des Hoftheaterbestands erprobt werden soll, damit es langfristig auch von anderen Bibliotheken für die Erschließung ähnlicher Bestände genutzt werden kann. Die Grundlage dieses Modells bilden die XML-basierten Codierungsstandards der Music Encoding Initiative (MEI) sowie der Text Encoding Initiative (TEI), die beide sowohl eine bibliothekarische als auch eine wissenschaftliche Erfassung der Dokumente erlauben und durch ihre Anbindung an internationale Datenstandards die Möglichkeit eines gezielten Mappings zu den Datenbeständen anderer Bibliotheken oder Forschungseinrichtungen mit sich bringen.
Die Projektergebnisse werden in einem Portal zusammengeführt, in dem die Digitalisate der Materialien mit den XML-basierten Erschließungsdokumenten unter Rückgriff auf die in Detmold entwickelte Software Edirom Online verknüpft werden. Die Präsentation der Ergebnisse wird auf diese sehr anschauliche Weise dazu beitragen, dem heutigen Forscher oder interessierten Laien ein präziseres Bild vom Wirken des Detmolder Hoftheaters in seiner Blütezeit zu vermitteln.
Digitale Musikanalyse mit den Techniken der Music Encoding Initiative (MEI) am Beispiel der Kompositionsstudien Anton Bruckners (2017–2019)
Digital Music Notation Data Model and Prototype Delivery System (2009–2014)
Im Rahmen der Bewilligungen innerhalb des DFG/NEH-Förderprogramms wurden zunächst zwei Workshops durchgeführt, durch die der Musikcodierungsstandard MEI in ein internationales Community-Projekt überführt und in den anschließenden Förderphasen so weiterentwickelt werden konnte, dass eine breite Akzeptanz in der wissenschaftlichen Community erreicht werden konnte.
Zur MEI-Website
Edirom – Entwicklung von Werkzeugen für digitale Formen wissenschaftlich-kritischer Musikeditionen (2006–2012)
Das von der DFG geförderte Edirom-Projekt gehört zu den erfolgreichsten Forschungsvorhaben des Musikwissenschaftlichen Seminars. Nach der mehrjährigen Entwicklungsphase wird die Software mittlerweile in vielen neuen digitalen Editionsprojekten eingesetzt.
Zur Edirom-Website
Freischütz digital (2012–2015)
Das Geschlecht musikalischer Dinge (2016-2018)
Gefördert von der Mariann Steegmann Foundation
Zahlreiche Forschungsprojekte, Publikationen, Tagungen und Kongresse deuten darauf hin, dass die Materialität der Welt im Zeitalter der Digitalisierung deutlicher spürbar ist als je zuvor. Auch in der Musikwissenschaft gewinnen Dinge zunehmend an Relevanz. Während der material turn unter dem Schlagwort New Materialism bereits Eingang in verschiedenste Fachrichtungen der feministischen Theoriebildung und Geschlechterforschung gefunden hat, wurde Gender als wichtige Analysekategorie in den vorliegenden Studien zur materiellen Musikkultur bisher jedoch nur wenig beachtet.
Das im Dezember 2016 unter Leitung von Rebecca Grotjahn und Sarah Schauberger gestartete Projekt betrachtet Instrumente und andere musikalische Objekte aus der Perspektive der Genderforschung. In Anlehnung an Ansätze der materiellen Kultur soll dabei nach den spezifischen Bedeutungen gefragt werden, die Dinge durch ihre materielle Beschaffenheit, das ihrem Gebrauch innewohnende Wissen und die Kontexte ihrer Verwendung erhalten.
Was verraten Dinge über die Gesellschaft und ihre Geschichte? Welche Bedeutungen kommen musikalischen Objekten in unterschiedlichen kulturellen Kontexten zu? Welche Kulturtechniken sind den Dingen eingeschrieben? Und was lässt sich durch die Analyse der Dinge über Geschlechterwissen in einem spezifischen kulturellen Kontext herausfinden? Da der Klang sowie die Bedienung musikalischer Dinge von ihren materiellen Eigenschaften abhängen, sind in diesem Zusammenhang auch die verwendeten Materialien, die Bauformen, das Design, kulturelle Kontexte usw. in den Blick zu nehmen.
Das Potenzial des Ansatzes für die musikwissenschaftliche Genderforschung soll im Rahmen einer vom 23. bis 24. Juni 2017 in Detmold stattfindenden Arbeitstagung ausgelotet werden. An diesem Wochenende werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen zusammenkommen, um ihre Perspektive auf konkrete musikalische Objekte zu diskutieren. Die daraus entstehenden Ding-Porträts werden im Jahrbuch Musik und Gender 2018 publiziert.
Um die kulturelle Bedeutung der Dinge im Kontext von Gender näher ergründen zu können, erfolgt im Rahmen des Projekts darüber hinaus eine systematische Sammlung und Dokumentation musikalischer Objekte aller Art.
Jazz im Faschismus
Die zwanziger, dreißiger und vierziger Jahre waren von wichtigen Veränderungen in der Unterhaltungsbranche gekennzeichnet. Während das italienische faschistische Regime zunächst eine modernistisch geprägte Kulturpolitik verfolgte, zog es sich ab Mitte der dreißiger Jahre auf autarkische und auslandsfeindliche Positionen zurück, die während der Kriegzeit noch stärker wurden. Die staatliche Zensur wog schwer. Besonders einige Musikarten wie der Jazz und einige aus Amerika importierte Tänze, die zu Swing-Rhythmen rasche und freie Körperbewegungen erlaubten, wurden mit Härte angegriffen.
Konzeptioneller und methodischer Ausgangspunkt des hier vorgelegten Projekts sind eine Reihe den deutschen Fall betreffende historische Studien. Die Forschungen, die sich bisher mit der italienischen Welt des Jazz befasst haben, verfolgen hingegen überwiegend einen dezidiert musikwissenschaftlichen Ansatz. Von einigen Ausnahmen abgesehen gibt es bisher nur wenige Studien mit historiographischer Ausrichtung. Ziel ist es, zu untersuchen, wie sich das faschistische Regime gegenüber neuen Kulturformen wie dem Jazz und den amerikanischen Tänzen verhielt. Es soll gefragt werden, ob die verpönten Lieder und Tänze als Mittel der Kritik und der Opposition gegen das Regime genutzt wurden. Es wäre auch festzustellen, ob einige der öffentlichen Ordnung und Moral vorgeblich schadende Künstler, Musiker, Drehbuchautoren, Tänzer, Theaterdirektoren, Orchester, Regisseure und Showagenten aus diesem Grund verfolgt wurden. Das Projekt zielt daher nicht eigentlich auf eine Jazzgeschichte der dreißiger und vierziger Jahre ab, sondern auf die Untersuchung der repressiven Richtlinien und Praktiken, die sich einerseits an Fragen der öffentlichen Ordnung und Moral orientierten, andererseits unter dem Einfluss der außenpolitischen Entscheidungen des Regimes auf die Kulturpolitik standen.
Venedig ist ein privilegierter Standort für die Untersuchung dieser Fragen. Die Stadt war ein internationaler kultureller Brennpunkt, in dem das Regime sich kosmopolitisch zeigte. So gilt es, die Theaterpolitik des Festivals der zeitgenössischen Musik von Venedig näher zu durchleuchten. Es wurde offiziell vom faschistischen Komponisten Adriano Lualdi geführt. Tatsächlich aber stand es unter der Leitung des international renommierten Musikers Alfredo Casella, der ein so großer Bewunderer der Jazz-Musik war, dass er die Musikpolitik der Regierung öffentlich herausforderte. Es soll herausgefunden werden, wie hier mit der sogenannten „abartigen Musik“ umgegangen wurde und ob vom Regime ansonsten angefeindete oder verbotene Aufführungen Platz fanden. Dies ist ein Beispiel für unsere Forschung zentral berührende Quellen, die in der Kulturstadt Venedig gehoben werden können.
Kooperation: Deutsches Studienzentrum Venedig
Leitung:
Technologien des Singens – Untersuchungen zum Dispositiv Singen - Körper - Medien in der Frühzeit der Tonaufnahme
TextGrid (Projektpartner 2009–2012)
Das Musikwissenschaftliche Seminar war von 2009 bis 2012 Projektpartner im BMBF-Verbundprojekt TextGrid, mit dem eine Virtuelle Forschungsumgebung für die Geisteswissenschaften aufgebaut werden sollte. Primäre Gegenstände der Arbeit waren die Codierungsstandards MEI und TEI sowie die Entwicklung eines MEI-Score-Editors.
Zur TextGrid-Website