Per Anhalter durch die Radio-Galaxis

Bericht zur Berlin-Exkursion, 9.–11. Nov. 2018

Zunächst erst einmal: Ja, jeder/jede musste für das Hostel sein eigenes Handtuch mitbringen. Die Reise, oder besser gesagt die Exkursion, führte uns Studierende jedoch nicht wirklich ins All, sondern nach Berlin. Dort besuchte unsere Gruppe die Wanderausstellung Radiophonic Spaces, die zurzeit in Basel, Berlin und anschließend in Weimar gezeigt wird, im Haus der Kulturen der Welt. Glücklicher Weise musste diese Welt nicht wegen des Baus einer Hyperraum-Expressroute weichen. Unsere BegleiterInnen bei dieser Reise waren Studierende der Musikwissenschaft aus Leuven in Belgien und natürlich unsere jeweiligen Dozentinnen Prof. Dr. Camilla Bork (KU Leuven) und Prof. Dr. Antje Tumat (Universität Paderborn / Musikhochschule Detmold).

Bei der Ausstellung Radiophonic Spaces handelt es sich um einen Hörparcours durch die Radiokunst. Mit über 200 Exponaten aus 100 Jahren internationaler Radioproduktion versucht die Ausstellung ein möglichst breites Bild der Kunst des Radios zu vermitteln. Zur Sammlung der Exponate hat auch die Wissenschaft, namentlich das Baseler Forschungsprojekt Radiophonic Cultures, in hohem Maße beigetragen. Für die Ausstellung wurde eine Mindmap entwickelt, die via Touchmonitor bedient werden kann. Dabei können sich Interessierte durch die Galaxis der Informationen klicken, die sich bei jedem Schritt mit anderen Punkten verbindet und einen so immer weiterführt. Das „begehbare und zugleich experimentelle Archiv“ ist in erster Linie jedoch zum Hören. Wer etwas fürs Auge erwartet, wird enttäuscht werden: Lediglich einige wenige Stühle stehen auf einer großen Fläche um dünne Empfangsgeräte herum. Das eigentliche Erlebnis kommt via selbstentwickelter App der federführenden Bauhaus-Universität Weimar im Haus der Kulturen der Welt. Am Beginn der Ausstellung erhält jeder Besucher ein Smartphone und Kopfhörer. Nun geht es ans Erkunden: Man hält an einem der Empfangsgeräte an und bekommt eine nach Narrativen geordnete Auswahl an möglichen Inhalten angezeigt, die an Hörstationen wie im Radio empfangen und dann angehört werden können. Dabei gibt es kleinere Beiträge von nur einigen Minuten, bis hin zu kompletten Hörbüchern mit einer Laufzeit von mehreren Stunden. Mit anderen Worten: Es ist nicht möglich, den gesamten Inhalt der Ausstellung an einem Tag zu erfassen. Das ist auch so gewollt: Die Ausstellung soll zum Entdecken und Wiederkommen, also zum Anhalten, einladen. Neben der Ausstellung war für uns Studierende auch der Austausch und die gemeinsame Erarbeitung von Vorträgen mit den KommilitonInnen aus Belgien zentraler Inhalt der Exkursion genauso wie ein Treffen mit der Kuratorin der Ausstellung (Prof. Nathalie Singer) oder der Besuch der allabendlichen Vorträge und Konzerte im Haus der Kulturen der Welt. Gerade auch diese Dinge machten diese Exkursion besonders fruchtbar. Durch den Austausch in einem gemeinsamen Workshop mit den Studierenden aus Leuven erhielten wir einen neuen Blick auf das Thema Radio im 20. Jahrhundert, außerdem konnte man so ins Gespräch kommen über die gefundenen Schätze in der Ausstellung. Die abendlichen Veranstaltungen sorgten für weiterführende Bildung: Ein Konzert mit Andrea Cohen und Diego Losa (Pour La Radio) konnte auch große Kritiker der experimentellen Musik überzeugen, zumal einige Studierende selbst an der Live-Performance auf der Bühne mitwirkten: Hier wurde die Klangqualitäten von sechs verschiedenen Muttersprachen unserer internationalen Studierendengruppe in einer Hommage an das Radio zum musikalischen Material. Im Anschluss daran gab es noch eine Diskussions- und Fragerunde mit den Aufführenden. Das Gespräch mit Prof. Nathalie Singer brachte Licht in die organisatorischen Dinge, die sich im Hintergrund abspielten und noch immer abspielen. Rechtliche Schwierigkeiten, finanzielle Sorgen und die Herausforderung, die Ausstellung irgendwann irgendwie zu verstetigen, gaben Einblicke in das ganz alltägliche Leben, die uns Studierende zum Nachdenken anregte. Es ist nicht selbstverständlich, eine so gelungene Ausstellung zu schaffen; das wurde allen klar.

Ein Besuch der Ausstellung Radiophonic Spaces lohnt sich in jedem Fall. Der Eintritt ist kostenlos und da die Ausstellung wandert, kann sie in verschiedenen Städten besucht werden. Weiterführende Informationen finden Sie auf der entsprechenden Website unter: www.hkw.de

Berlin, November 2018  Moritz Knurr, B.A.